11°C

Dienstag, 04.11. - 17:29 Uhr

| Registrieren

Für Soltani bleibt an jedem Tisch ein Platz frei

Solidaritätsaktion für den Nürnberger Menschenrechtspreisträger - vor 0 Minuten

Abdolfattah Soltani, Nürnberger Menschenrechtspreisträger von 2009, lässt sich auch von der Haft im berüchtigten Evin-Gefängnis nicht brechen. Um an seine Situation zu erinnern, gibt es jetzt die Aktion „Kochen für Soltani“. Die Fotos von den Koch-Aktionen werden auf Facebook gepostet.

Abdolfattah Soltani, Nürnberger Menschenrechtspreisträger von 2009, lässt sich auch von der Haft im berüchtigten Evin-Gefängnis nicht brechen. Um an seine Situation zu erinnern, gibt es jetzt die Aktion „Kochen für Soltani“. Die Fotos von den Koch-Aktionen werden auf Facebook gepostet. © privat


Freunde, Bekannte, Juristen aus aller Welt, Politiker, Menschenrechtler und viele Bürger aus Nürnberg und Umgebung, aber auch aus anderen Städten machen sich seitdem für die sofortige Freilassung Soltanis stark. Die Kampagne „Kochen für Soltani“ soll möglichst viele Menschen dazu motivieren, ebenfalls für Soltani zu kochen, davon Fotos zu machen, den Tisch mit einem zusätzlichen, aber leer bleibenden Gedeck zu fotografieren und auf der eigenen Facebook-Seite zu posten; oder die Fotos an Gabriela Heinrich zu senden, die sie dann postet. Außerdem soll man wie beim Ice-Bucket-Challenge Freunde, Bekannte oder Prominente nominieren, ebenfalls für Soltani zu kochen und Fotos vom kulinarischen Ergebnis ins Internet zu stellen. Heinrich hat unter anderem SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Nürnbergs Bürgermeister Christian Vogel nominiert.

- Anzeige -

„Durch die Aktion wollen wir auf sympathische Weise sanften Druck auf die Regierung ausüben“, erklärten Gabriela Heinrich und Soltanis langjähriger politischer Pate Michael Frieser (CSU) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Der Nürnberger Menschenrechtspreisträger wurde zu 13 Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt – wegen „Annahme eines ungesetzlichen Preises“ (womit der Nürnberger Menschenrechtspreis 2009 gemeint ist), „regimefeindlicher Propaganda“, „Versammlung und Verdunklung mit systemfeindlicher Absicht“ und der „Gründung des Zentrums zum Schutz der Menschenrechte“, das er mit Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi ins Leben rief.

An dieser Tafel mit Michael Frieser (l.), Maede Soltani (M.) und Gabriela Heinrich würde Abdolfattah Soltani sicher auch gerne sitzen.

An dieser Tafel mit Michael Frieser (l.), Maede Soltani (M.) und Gabriela Heinrich würde Abdolfattah Soltani sicher auch gerne sitzen. © Foto: Roland Fengler


Viele Menschen haben bisher seine sofortige Freilassung wegen der aus ihrer Sicht illegalen Haft gefordert – passiert ist aber wenig: Der öffentliche Druck sorgte zwar dafür, dass Soltanis „Strafe“ von 18 auf 13 Jahre reduziert wurde und er nicht, wie im Urteil verfügt, in ein weit entferntes Gefängnis verlegt wurde. Das ist für die Familie sehr wichtig. Außerdem sorgt der Druck dafür, dass man sich der großen Öffentlichkeit bewusst ist.

Doch bisher konnte nicht einmal ein Hafturlaub für den Anwalt, der viele Angeklagte in Menschenrechtsfragen vertreten hat, erreicht werden. „Wäre mein Vater ein Mörder, hätte er bessere Chancen auf Hafturlaub. Politischen Flüchtlingen aber wird dieser verwehrt“, sagt seine Tochter Maede Soltani. Im Fall ihres Vaters sei für die Gewährung von Hafturlaub eine sehr hohe Kaution verlangt worden. Er selbst habe den Betrag als ungesetzlich hoch kritisiert und darauf verzichtet. Außerdem beklagt sie, dass er medizinisch nicht ausreichend versorgt werde.

Der Bundestagsabgeordnete Michael Frieser hält die Aktion „Kochen für Soltani“, die man bei Facebook unter diesem Namen findet, für „eine grandiose Idee“. Denn ob im Iran oder in Deutschland – gekocht werde überall „und meist viel mehr als wir essen können“, sagt Frieser. TV-Kochshows sind auch im Iran beliebt. Er selbst will für Soltani ein LammfleischRagout mit Quitten zubereiten.

Zum Essen will er nicht nur Soltani einladen, sondern auch den geistlichen Führer des Iran, Ayatollah Ali Chamenei, der eine eigene Facebook-Seite hat. „Wer eine Einladung zum Essen ablehnt, muss dafür schon einen guten Grund nennen“, sagt Frieser – und spielt die Kampagne noch ein Stück weiter.

Neben den Postings auf der Facebook-Seite http://www.facebook.com/cookforsoltani, die auch OB Ulrich Maly und der frühere SPD-Abgeordnete Günter Gloser (er hat für Soltani Apfelkuchen gebacken) unterstützen, rufen die Aktivisten noch zu E-Mail-Aktionen auf. So sollen sich die Bürger auch per Mail oder Brief an die iranische Führung und die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wenden. Muster für entsprechende Schreiben und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Facebook-Posting finden sich auf der Web-Seite von Gabriela Heinrich.

Doch was ist eigentlich Abdolfattah Soltanis Lieblingsgericht? Tochter Maede Soltani verrät es: „Er isst am liebsten Gemüse wie etwa Radieschen und sehr gerne Brot mit Käse und vielen frischen Kräutern.“ Und was bekommt er in der Haft zu essen? Es gibt zwar ein allgemeines Essen, aber viele Häftlinge kochen selbst – müssen jedoch die Zutaten dafür mit ihrem eigenen Geld im Gefängnisladen kaufen. „Dort sind die Preise dreimal höher als draußen“, beklagt Maede Soltani.

Wer kein Geld von Verwandten bekommt, muss sich anders behelfen – indem er etwas von anderen Gefangenen kauft. Auch Abdolfattah Soltani hat anderen Häftlingen schon öfter etwas abgekauft – und einiges davon Maede zukommen lassen. Etwa eine Kette mit einem Schmetterling, der aus einer Kokosnuss herausgeschnitten und poliert wurde. Oder eine pinkfarbene Fadenpuppe.

Zeit zum Basteln haben die Gefangenen. Aber sie nutzen die Zeit ansonsten vor allem dazu, um sich weiterzubilden oder sportlich zu betätigen, wie Maede Soltani erzählt. So erteilt ihr Vater Rechtsberatung und Unterricht in Sachen Menschenrechte und Gesetzeswesen. Andere unterrichten Sprachen, die sie selbst beherrschen. Oder leiten Gymnastikkurse. Jeder trägt so nach seinen Fähigkeiten etwas zum Wohl der Gemeinschaft bei, die im Evin-Gefängnis unfreiwillig auf engem Raum zusammenlebt – und von denen jeder Einzelne eine Hoffnung hat: möglichst bald in Freiheit entlassen zu werden und seine früheren Mitgefangenen ebenfalls in Freiheit wieder zu treffen. Zum Beispiel beim Bergwandern im Alborz-Gebirge mit dem über 5600 Meter hohen Berg Damavand nördlich von Teheran. Wieder seine geliebten Berge zu besteigen, das ist einer der großen Wünsche von Abdolfattah Soltani – und deshalb ist auf dem Facebook-Profil „Kochen für Soltani“ auch der Damavand abgebildet. 

Stephanie Rupp

Seite drucken

Seite versenden



Um selbst einen Kommentar abgeben zu können, müssen Sie sich einloggen oder sich zuvor registrieren

Ihr Kommentar

Name:

Ihr Kommentar:

Bitte beachten Sie unsere Netiquette.

Captcha

Bestätigungswort

Um Ihren Kommentar abzusenden, geben Sie bitte das Bestätigungswort ein. Nicht lesbar? Erzeugen sie durch Klick darauf einen neuen Text.

- Anzeige -